eppingen veranstaltete die bundesgartenschau im jahr 22, was nun, im jahr 23, zur folge hat, dass die anlagen, die für besagte bundesgartenschau im jahr 22 gebaut worden waren, der heimischen bevölkerung weiterhin zur verfügung stehen: ein kleiner künstlicher see, mit holzstegen die zum sitzen einladen, mit vermutlich heimischem holz gebaut (dessen schon in der planungsphase versprochene anwendung vermutlich die ansässige bevölkerung überzeugte, als einer vieler faktoren, der bundesgartenschau 22 zuzustimmen), breitet sich aufs schönste und nahe des bahnhofs aus. ein hübscher kiosk auf dem gelände bietet linsensalat, wurst & brot, kuchen und getränke an. von der möglichkeit, sich zu verpflegen, wurde am tag unseres besuches, an einem ungewöhnlich warmen septembertag, von insbesondere älterem publikum und von rad-touristen rege gebrauch gemacht.

wir liefen durch gassen und strassen eppingens, das allerdings etwas hermacht, insbesondere durch fantasievolle riegelbauten, die sich von haus zu haus unterscheiden, als folge eines kreativen und nicht in massenware beschränkten denkens. die katholische kirche, eisenkreuze auf dem friedhof, war abgeschlossen, vermutlich, weil sich in eppingen die erkenntnis durchgesetzt hat, dass beten keinen sinn mehr habe: es sei zu spät. soviel modernität hätte ich dem lauschigen städtchen, welches damals dem führer als erster ort deutschlands und freiwillig das ehrenbürgerrecht gewährte, nicht zugetraut. ein dorf musste ja vorangehen, damit all die andern, unzähligen, nachfolgen konnten. aber eppingen steht für diese verleihung, die heute praktisch keinem mehr recht ist, mit seinem namen, was zeigt, dass erste zu sein im verlaufe der geschichte nicht immer eine erfreuliche sache bleibt.

in der hauptgasse plötzlich viele menschen, vermutlich syrer, menschen aus afghanistan, ukrainerinnen. wir vermuteten ein volksfest, es war aber die tafel, an der die leute sich mit lebensmitteln eindecken konnten. aus tafelgründen, könnte man sagen, herrschte in eppingen, wo keine deutsche seele sich blicken liess, ausgesprochen gute stimmung. nur hundert meter weiter die buchhandlung, die vor dem laden unter ausladenden sonnenschirmen ein etwa acht esstische umfassendes antiquariat betrieb, mit einem schild versehen:  „alle bände auf diesen tischen kosten einen euro  - die gelder aus dem verkauf gehen vollumfänglich zu gunsten der tafel.“ nach der sache mit dem peinlicherweise verliehenen ehrenbürgerrecht, war diese aktion nun doch eher dazu geneigt, sich freunde zu schaffen und den namen eppingen auf lange zeit mit gelebter menschenfreundlichkeit zu verbinden.

ich schaute mich um und fand erstaunlicherweise einen tisch auf dem sich fand: leiden und freuden eines schulmeisters - in zwei bänden, jeremias gotthelf, homo faber - max frisch, das glasperlenspiel - hermann hesse, novellen - c.f. meyer, aber auch bände diggelmanns, nizons, burgers schilten und ein band von laure wyss, welche hier die noble aufgabe hatte, die frauen der schweizer literatur ihrer generation zu vertreten. jedes der bücher gebunden, oft in erstausgaben.

es stellte sich die frage, wie und weshalb diese bücher nach eppingen, der „fachwerkstadt mit pfiff“, wie sie das touristenbüro ausschreibt, gekommen waren. vermutlich, um eine mögliche these darzustellen, war vor kurzem ein allseits geschätzter gymnasiallehrer verstorben, der irgendwann im laufe seines berufslebens im deutschunterricht einen schwerpunkt setzte bei schweizer autor innen. für seine abschlussklasse. was nicht so gut wie erhofft angekommen war. und seine schweizer bibliothek, mit der er sich auf dieses projekt vorbereitete,  wurde nun hier verkauft, nach dem willen der hinterbliebenen gemahlin, die sich stets auch sozial betätigte, und vemutlich in diesem moment unter an der tafel salatköpfe und mehl für bedürftige eintütete, wie deutsche gelegentlich zu sagen pflegen.

ich frage Sie: pro buch ein euro! ist das nicht etwas wenig? und das in eppingen? bundesgartenschau 22 und ehrenbürgerrecht für adolf? ich fragte nach in der buchhandlung, ob sich die antiquariatsbände gut verkauften. „nein, nichts“, meinte die junge verkäuferin, „aber jeden tag das ganze raus- und reinschleppen gibt viel arbeit.“ so ist das mit den büchern. nicht nur beim schreiben geben sie arbeit, sondern auch beim anschliessenden, mühsamen, verkauf. es wäre schön, wenn autor innen sich dieses peinlichen umstands gewahr würden. eppingen lehrte mich: fasst euch kurz, wenn ihr euch überhaupt fassen wollt! beschreibt das papier eng, spart an unnötigen, oft einfach vermeidbaren, nebensätzen und sinnlosen, ausschmückenden, opulent gesetzten eigenschaftswörtern. ich wollte mich, bei der gelegenheit, nach einem buch ciorans erkundigen, aber im gleichen moment, in dem die verkäuferin fragte, wie man das schreibe, (einen tag später hatte man auch in speyer den namen cioran noch nie gehört, obwohl er gar von celan ins deutsche übersetzt wurde) rief mein begleiter von draussen, wir würden jetzt eis essen gehen auf der andern seite des platzes. so verzichtete ich auf die buchstabiererei und verabschiedete mich hastig. eis nimmt, vom ende her betrachtet, viel weniger platz ein als bücher. was bereits ein gutes argument für eis ist.

ja. so war das in eppingen. einblick in praktisch durchgehend menschliches, erfreuliches verhalten. das eis war grossartig, das eis aus dem eiscafé. von wo auch ein blick auf die tafel möglich war. eppingen. eingebettet in reizvolle landschaft zwischen odenwald und schwarzwald. es gibt schlimmere orte.

nicht nur in deutschland.

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Authorpius strassmann